Das Jahr 2017 war explosiv, was die News zu Verbrechen anging. Aber für die Familien einiger langjähriger Vermisster waren die letzten zwölf Monate besonders denkwürdig, da die Fälle ihrer Lieben, von denen einige mehrere Jahrzehnte ungelöst waren, dramatische Schritte zur Auflösung des Falles machten. Lange ungeklärte Fälle zu lösen ist kein alltägliches Ereignis, aber es kommt immer öfter vor dank den Fortschritten bei den DNA-Proben, beim Sammeln der Beweise und bei der Technologie.

Es gibt einen Lösbarkeitsfaktor, wenn man sich ungeklärte Kriminalfälle ansieht“, sagt Ryan Backmann, Gründer der in Florida sitzenden Organisation „Project: Cold Case“. „Heutzutage werden mehr Verbrechen gelöst wegen DNA-Tests, Social Media und den Nachrichten, die rund um die Uhr laufen. In den 1970er Jahren wurde das Blut des Opfers mit dem des Verdächten vermischt, sie konnten es nicht trennen.“

Hier sind fünf der größten ungeklärten Kriminalfälle, bei denen es 2017 eine positive Entwicklung gab.

 

Suzanne Bombardier

1980 wurde die 14-jährige Suzanne Bombardier entführt, während sie auf ihre Nichte in Antioch in Kalifornien aufpasste. Ihre Leiche wurde fünf Tage später im San Joaquin River gefunden; sie war vergewaltigt und mit einem Stich ins Herz getötet worden. Die Polizei hatte wenige Hinweise und der Fall war aktenkundig der größte ungelöste Fall der Bay Area. Bis zu dem Tag, als ein DNA-Abgleich die Polizei dazu führte, den 63-jährigen Mitchell Lynn Bacom wegen des Mordes festzunehmen. Berichten zufolge war Bacom ein Bekannter der Familie Bombardier.

Obwohl der Verdächtige, der eine „lange und gewalttätige“ kriminelle Geschichte hat, darunter Verurteilungen wegen Vergewaltigung, Raubüberfall und Einbruch, noch nicht vor Gericht steht, ist das eine vielversprechende Entwicklung.

Fortschritte in sehr alten Fällen wie dem von Suzanne Bombardier zu machen, ist schwierig, sagt Joe Giacalone, pensionierter NYPD Kriminalmeister und ehemaliger befehlshabender Polizist der „Bronx Cold Case Homicide Squad“, des Morddezernats für ungeklärte Kriminalfälle in der Bronx. „Es kann so viele Probleme geben. Ein Augenzeuge erinnert sich schlechter an Dinge, die vor 37 Jahren passiert sind.“

Bombardiers ruhender Fall wurde 2015 wieder aufgenommen und neue biologische Beweise wurden in dem Jahr vorgelegt. Bacoms DNA wurde abgeglichen, indem 2017 das gemeinsame FBI DNA Index System genutzt wurde. Die Polizei berichtete Reportern, dass sie niemals aufgegeben hatten, den Mörder des Mädchens zu finden, auch wenn die Beamten anmerkten, dass sich der Fall gegen Bacom noch in der Vorstufe befindet. Bacom hat keinen Einspruch erhoben, als die Staatsanwälte kürzlich Strafanzeige wegen Mordes gegen ihn erhoben.

Giacalone sagt dennoch: „Nur, weil man ihre DNA hat, macht das niemanden zu einem Mörder. Das hängt davon ab, wie der Beweis verpackt war, wie er getestet wurde. Es gibt vieles, das bei der Sammlung von Beweisen schief gehen kann.“

 

Bree’Anna Guzman and Michelle Lozano

Im April 2011 wurde die Leiche der 17-jährigen Michelle Lozano am Golden State Freeway in Kalifornien gefunden. Sie war nackt, eingehüllt in Plastiktüten und ihr Körper war in einen Plastikcontainer geworfen worden. Ihre Leiche wurde nur einen Tag, nachdem sie das letzte Mal vor ihrer Schule gesehen wurde, gefunden.

Im nächsten Jahr verschwand eine weitere junge Frau, Bree’Anna Guzman, 22, als sie auf dem Weg zu einer Drogerie war, um sich Hustensaft zu kaufen. Sie wohnte weniger als zwei Kilometer entfernt von Lozano. Ihre Leiche wurde später auch an der Seite des Highways gefunden.

Sechs Jahre später hatte die Polizei eine DNA-Übereinstimmung mit einer Probe, die sie heimlich gesammelt hatten, als ein Verdächtiger auf den Bürgersteig gespuckt hatte. Es war ein verblüffender Durchbruch in einem Fall, der seit Jahren ungeklärt war. Das Los Angeles Police Department nutzte eine umstrittene Art des DNA-Tests namens „familial DNA“, um einen vermeintlichen Mann aus Torrance in Kalifornien namens Geovanni Borjas mit den Verbrechen in Verbindung zu bringen.

„Mit einer familiären Suche durchsuchen wir unsere Straftäter-Datenbank nach einer Verwandtschaft zu einer Person“, erklärt Giacalone. Die Beamten durchsuchen also ihre Datenbanken nach Verwandten des Täters, die eine ähnliche DNA haben, weil sie verwandt sind.  

„Es ist umstritten, weil man Personen ins Visier nimmt, die überhaupt nichts falsch gemacht haben“, sagt Giacalone. Dennoch hält er es für „das beste Werkzeug bei ungeklärten Kriminalfällen seit der Entdeckung der DNA.“

Obwohl familiäre DNA-Suchen noch nicht weit verbreitet sind, konnten im US-Bundesstaat Kalifornien mit diesem System mehrere Verbrechen gelöst werden, darunter auch der prominente Grim Sleeper Fall.

Im Mai wurde Borjas in zwei Fällen wegen Mordes und Vergewaltigung und in einem Fall wegen Entführung angeklagt. Er könnte die Todesstrafe bekommen, wenn er verurteilt wird. Bis jetzt ist er noch nicht vor Gericht gestellt worden.

 

Janie Landers

Zur Zeit ihres Todes im März 1979 lebte Janie Landers, 18, in einer staatlichen Einrichtung für geistig Schwerbehinderte in Oregon. Die junge Frau befand sich laut Berichten „auf dem Niveau einer 8-jährigen“. Fünf Tage, nachdem sie vermisst wurde, wurde sie verprügelt und erstochen in der Nähe der Salem-Einrichtung aufgefunden, aber sie war nicht sexuell missbraucht worden. Sie hatte Abwehrverletzungen und die Autopsie-Ergebnisse offenbarten, dass stumpfe Gewalteinwirkung zu ihrem Tod geführt hatte. Man geht davon aus, dass sie von jemandem im Auto mitgenommen wurde, der sie in einem Wutanfall getötet hat.

Nachdem Landers’ Fall ungeklärt blieb, drängte die Schwester der jungen Frau örtliche Ermittler und der Fall wurde wieder aufgenommen, als ein neuer Beamter ihn aus dem Ordner mit ungeklärten Fällen im Jahr 2015 herauszog. Der Beamte gab Landers’ blutiges Shirt noch einmal in die FBI-Datenbank ein und dieses Mal gab es einen Treffer. Die Übereinstimmung? Ein verurteilter Vergewaltiger namens Gerald Dunlap, der Berichten zufolge in der Wäscherei der Einrichtung gearbeitet hatte, in der Landers gelebt hatte.

Obwohl Dunlap 2002 im Gefängnis gestorben war, arbeiteten die Ermittler eifrig daran, seine Identität als die des mutmaßlichen Mädchen-Mörders zu beweisen. Sie nutzten sein Foto, um Zeugen zu befragen, die bestätigten, dass sie ihn tatsächlich mit Landers zusammen gesehen hatten.

Einen Verdächtigen zu identifizieren, der schon verstorben ist, passiert gelegentlich, so Giacalones Erfahrung und „es ruft gemischte Gefühle bei den Familien der Opfer hervor“, sagt er. „Sie haben einen Abschluss, aber es nimmt ihnen den Gerechtigkeitsteil.“

 

Teresa Broudreaux

Im März 1980 lief Teresa Broudreaux, 20, aus Los Angeles, nach einem Streit mit ihrem Ehemann Ronnie Fematt zum Haus ihrer Schwester. Broudreaux war im fünften Monat schwanger. Nachdem sie an dem Abend bei ihrer Schwester aufbrach, verschwand sie. Ihre nackte Leiche wurde später am Strand in Palos Verdes Estates gefunden. Sie wurde auf den Kopf geschlagen. Broudreauxs Ermordung wurde als misslungener sexueller Angriff angesehen, obwohl sich die Beamten nicht sicher waren, ob sie vergewaltigt wurde.

Die Ermittler hatten kaum Hinweise und gar keine Zeugen. „Teresa Broudreauxs Fall war von Anfang an ungeklärt, denn als sie die Leiche fanden, hatten sie nichts: Keine Zeugen, es war 1980 und da hat man noch nicht über DNA nachgedacht“, so Giacalone.

2013 gaben Beamten die DNA vom Tatort erneut in die Datenbank ein. Dieses Mal gab es eine Übereinstimmung, aber erst 2017 hatten sie genügend Beweise, um Robert Yniguez, 65, anzuklagen.

Yniguez war zuvor wegen Verdachts auf sexuellen Übergriff festgenommen worden, außerdem hatte er acht Jahre im Gefängnis gesessen wegen einer weiteren Vergewaltigung. Man geht davon aus, dass sich Broudreaux und Yniguez nicht kannten. Yniguez wurde angeklagt wegen Mordes, auf den die Todesstrafe steht, er könnte also zu Tode verurteilt werden, aber sein Prozess hat noch nicht begonnen.

 

Freddie Farah

1974 wurde Freddie Farah aus Jacksonville in Florida während eines bewaffneten Überfalls in seinem Laden niedergeschossen. 2017, 43 Jahre später, kam Licht in den lange ungeklärten Fall, als Johnnie L. Miller, ein bekannter Straßenkünstler aus New Orleans, wegen des Mordes an Farah festgenommen wurde.

Millers Handabdruck, den er auf Gegenständen in der Nähe der Ladenkasse hinterlassen hatte, passte zu einem Profil, das in dem System „Integrated Automated Fingerprint Identification System“ (AFIS) des FBI gefunden wurde. Zur Zeit dieser Entwicklung hatte der Mord an Farah erneute Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nachdem er bei „Project: Cold Case“ auf der Internetseite hervorgehoben worden war.

„Der Handabdruck war seit den 1990er Jahren nicht mehr überprüft worden“, sagt Backmann. „Sie haben ihn erneut durch das System laufen lassen und einen Treffer erzielt.“                  

Der Verdächtige trat seit mehr als 20 Jahren in New Orleans als „menschliche Statue“ unter dem Spitznamen „Uncle Louie“ auf.

Als die Polizei ihn befragte, leugnete Miller seine Mittäterschaft, „aber sie hatten seine Fingerabdrücke auf Gegenständen im Laden und einen 14-jährigen Zeugen, der sich an alles erinnerte“, so Backmann. „Innerhalb von sechs Monaten haben sie ihn festgenommen.“

Miller, der 17 war, als er das Verbrechen beging, wartet derzeit auf seinen Prozess.

 

 

- Laura Barcella