Wenn Sie schon einmal im Hochsommer eingequetscht im Bus standen oder bei 35 Grad Hitze und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit ihre Einkäufe machen mussten, wissen Sie bestimmt, dass die Gemüter bei hohen Temperaturen leicht erhitzt werden können. Und es gibt genug Experten, die nach einer Erklärung für dieses Phänomen suchen.

Eine bekannte Studie aus dem Jahr 1986, die in der Zeitschrift „Environment and Behavior“ veröffentlich wurde, hat versucht, den Zusammenhang zwischen hohen Temperaturen und menschlicher Interaktion zu erklären. Dafür haben sie in Phoenix, im US-Bundesstaat Arizona, die Reaktionen von Autofahrern getestet, die im Auto an einer grünen Ampel  angehalten wurden. Die Forscher, Douglas T. Kenrick und Steven W. MacFarlane von der Arizona State University maßen die „zwischenmenschliche Feindseligkeit“ anhand der Summe des Hupens. Dabei fanden sie heraus, dass es linear mit den Temperaturen anstieg.

In einer anderen Studie aus dem Jahr 2016 von der Johns Hopkins University School of Medicine stand die tägliche Höchsttemperatur in enger Verbindung zu der Zahl der eingelieferten Trauma-Patienten im John Hopkins Hospital und zu den Polizeiberichten des Baltimore Police Department.

„Natürlich ist die Hitze nicht der einzige Faktor, der im Zusammenhang mit Aggression und Gewalt steht, aber es ist ein wichtiger Faktor“, schreibt Dr. Brad J. Bushman, Professor der Kommunikationswissenschaft und Psychologie an der Ohio State University, in einer Email. „Es sieht nach einer linearen Funktion aus. Je größer die Anzahl der heißen Tage, umso größer die Anzahl der Gewaltverbrechen.“

Interessanterweise lässt Hitze Verbrechen ohne Gewalt nicht ansteigen, so Bushman. In der Vergangenheit haben Wissenschaftler dieses Phänomen entweder dem „General Aggression Model“ (das Bushman mitentwickelt hat) zugeordnet oder der „Routine Activity Theory“. Das „General Aggression Model“ nimmt an, dass eine höhere Durchschnittstemperatur die Menschen mürrisch und deswegen aggressiv macht. Die „Routine Activity Theory“ hingegen schlägt vor, dass warme Temperaturen die Menschen aus ihren Häusern bringen und sie deswegen mehr Möglichkeiten für soziale Interaktion haben – von denen einige schief gehen können.  

Aber diese Studien sind unvollständig und es sind nicht nur Hitzewellen, die das Temperament entfachen. So sieht es eine kontroverse Studie aus dem Jahr 2016, an der Bushman mitgearbeitet hat, mit dem Namen CLASH (CLimate Aggression, and Self-Control in Humans), die in der Zeitschrift „Behavioral and Brain Sciences“ veröffentlicht worden ist. Bushman und der Hauptautor Paul A. M. Van Lange von der Vrije Universiteit in Amsterdam stellten die Theorie auf, dass heiße Klimaverhältnisse (und leichte Veränderungen der saisonalen Temperaturen) dazu führen, dass die Menschen schneller aggressiv  oder gewalttätig reagieren. Der Grund dafür soll darin liegen, dass es eine Lebensstrategie begünstigt, die weniger besorgt um die Zukunft ist (zum Beispiel, wenn es darum geht, die Ernte zu planen und zu pflanzen oder sich auf den Winter vorzubereiten) und weniger Selbstkontrolle erfordert. 

Da man nicht über Hitzeperioden reden kann ohne über den Klimawandel zu sprechen, liefert Bushman einen scheinbar trüben Blick auf die Zukunft: „Wenn die Menschen an die Konsequenzen der globalen Erwärmung denken, denken sie normalerweise an die Ernte, an extremes Wetter, den Anstieg des Meeresspiegels usw.“, sagt Bushman. „Sie denken nicht daran, dass auch die Aggression und die Gewalt ansteigen werden.“