Zurück
Im New York der 70-er Jahre entsteht in einem Alltag, der von Gangs und Gewalt geprägt ist, eine Kultur der Benachteiligten. Sozial schwache und verarmte Afroamerikaner machen ihren schwierigen Lebenssituationen Luft und entwickeln eine Musikrichtung, die ihren Ursprung in der Bronx, dem damals kriminellsten Stadtteil New Yorks, findet: Hip-Hop. Geprägt von den Spannungen rivalisierender Gangs, Rassismus und Arbeitslosigkeit wird die Subkultur zur Möglichkeit sich mitzuteilen und den Spannungen Ausdruck zu verleihen.

Gesellschaftliche Missstände im New York der 60-er Jahre

Den Beginn der zunehmend schlechteren sozialen Verhältnisse markierten die Industrieunternehmen, die ihre Standorte in Vororte oder sogar ins Ausland verlegten, um Kosten zu sparen und so die Arbeitslosigkeit vorantrieben. Vor allem die Bronx wurde zum Ort des sozialen Verfalls, gefördert durch mangelnde soziale Hilfe und der organisierten Ballung von Schwächeren in diesem bestimmten Stadtteil. In den 50-er Jahren bestanden Gangs aus befreundeten Gruppen, die allenfalls gelegentlich Schlägereien austrugen. Das Image des gewalttätigen Gangsters prägte sich erst später. Ende der 60-er Jahre schlossen sich immer mehr dieser Gruppen der „Black-Power-Bewegung“ an. Diese Bewegung entstand um der gesellschaftlichen Unterdrückung der afroamerikanischen Minderheit entgegenzuwirken und eine Revolution in Gang zu setzen. Im Zuge dieses Umschwungs veränderte sich der Umgang zwischen den Gangs, die zunehmend radikaler wurden: Sie versuchten möglichst weite Gebiete eines Ghettos zu kontrollieren, auch mit brutalsten Maßnahmen, und finanzierten sich ihren Lebensunterhalt mit Drogenhandel und Gewaltverbrechen. Durch die fehlende Hilfe des Staates und der Polizei sahen sich die Straßengangs selbst als Ordnungshüter. Ihre Minderwertigkeitsgefühle wurden durch schwindende Zukunftsperspektiven nur verstärkt. So entstand als Teil ihres Alltags der Rap, der vor allem in Form von Battles ausgetragen wurde, die dazu dienten seinen Gegner lächerlich zu machen und sich selbst im Gegenzug positiv darzustellen.

Entstehung der Musikform als künstlerischer Ausdruck

Der Rap - schneller, rhythmischer Sprechgesang – spielt eine zentrale Rolle in der Hip-Hop-Musik. Die Griots, westafrikanische Wanderer, die auf ihren Reisen in Gesangform Geschichten erzählen um traditionelles Wissen mündlich weiterzugeben, dienen hierzu als Vorbilder. Auch sonst findet der Hip-Hop seine musikalischen Wurzeln in der afroamerikanischen Kultur, nämlich in der Funk- und Soul-Musik. Der Funk ist außerdem gestaltend für den Fokus auf Rhythmus statt, wie damals üblich, die Melodie. Auch das rhythmische Aneinanderreihen bedeutungsloser Silben gehört als fester Bestandteil zum Rap. Angelehnt ist diese Technik an den Scat-Gesang aus dem Jazz der 30-er Jahre.

Die zweite wichtige Komponente der Musikform ist das DJ-ing. Den Beginn fanden die Discjockeys im Herumexperimentieren mit Beats von Funk-, Soul- und Discosongs. So entstand die Grundlage für Hip-Hop-Musik durch das Zusammenbasteln verschiedener Beats, teilweise parallel und auch in verschiedenen Geschwindigkeiten. In der Discomusik der 60-er Jahre standen die DJs zum ersten Mal im Mittelpunkt, da bereits hier das Experimentieren mit der Musik verbreiteter wurde und nicht nur einfach Platten hintereinander aufgelegt wurden. Um den Übergang zwischen den Liedern aufzulockern, kam auch die Technik des Scratchens erstmals zum Einsatz und erzeugt durch das Hin- und Herbewegen der Schallplatten Töne. Erste DJ-Battles gab es sogar schon in den 50er-Jahren im Reggae. Hier wurden erste DJ-Techniken entwickelt, die ebenfalls durch eine besondere Gesangsart, „Toasting“ ergänzt wurden, das als Wegbereiter für den Rap gilt.

Ergänzung durch Graffiti und Breakdance

Ergänzt wird die Subkultur durch zwei weitere künstlerische Aspekte. Für die neue Musikrichtung musste auch eine neue Art sich zu bewegen erfunden werden, die nicht nur als Alternative zu den Spannungen und der Gewalt zwischen den Straßenbanden, sondern auch für das Ringen um Anerkennung genutzt werden konnte. Gemeint ist Breakdance oder auch B-Boying. Diese Tanzform ist besonders durch die plötzlichen Wechsel in den Bewegungen einzigartig. Tanz bot so eine Chance, handgreifliche Auseinandersetzungen in Territorialkämpfen zu umgehen. Inspiriert wurde der Stil von verschiedenen Elementen: Der Kampfsportart Kung Fu, dem Bodenturnen und dem brasilianischen Kampftanz Capoeira. Der Tanzstil ist geprägt von akrobatischem Können und einem Gefühl für Koordination.

Das Wort „Graffiti“ kommt aus dem Italienischen, bedeutet im Singular ursprünglich Schraffierung und beschreibt demnach eine in Stein geritzte Inschrift und in der moderneren Übersetzung eine ornamentale oder figurale Dekoration. Ein Bote aus New York, der überall seinen Namensschriftzug „Taki 183“ mit einem Filzstift verbreitete, war schon Ende der 1960-er Jahre einer der ersten bekannten Graffitikünstler. Demnach war Graffiti nicht von Beginn an Teil der Hip-Hop-Kultur, jedoch in der Entwicklung zunehmend enger an die Szene gebunden. Mit „Taki“ als Vorbild brachten immer mehr Künstler ihren Namen an Gebäude, was zunehmend dazu führte, dass Reviere hierdurch markiert wurden. So wurde die Verbreitung von Graffitis aber auch zur Bewegung gegen die Tristheit des Lebens in den Ghettos und zur Möglichkeit, eine Botschaft zu vermitteln. Durch möglichst große Verbreitung erlangt ein Sprayer größeres Ansehen in der Community. Ausschlaggebend war also nicht, wie bekannt die Person hinter dem Künstlernamen, sondern wie oft der Name zu sehen war. Für den Ruhm unter den Sprayern wird auch heute noch das Gesetz missachtet und hohe Geldstrafen in Kauf genommen.

Kommerzialisierung der „Kultur der Benachteiligten“

Als erste kommerziell veröffentlichte Hip-Hop-Single gilt „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang und erzielte als erster Hip-Hop-Song weltweite Chart-Erfolge. Dem Veröffentlichungsdatum nach kommt ebenso „King Tim III“ der Fatback Band als erster Erfolg der Hip-Hop-Musik in Frage, zweifelsfrei ist dies jedoch nicht ermittelbar. Mit geschätzten acht Millionen Verkäufen machte „Rapper’s Delight“ jedoch zum ersten Mal klar, dass die aus der Subkultur entstandene Hip-Hop-Musik auch als Zukunftsperspektive in Frage kam. Der heute überwiegend durch die Musik geprägte Begriff des Hip-Hops weicht stark von der in den 70-er Jahren entstandenen Subkultur ab, weshalb die Vermischung der Begriffe oft kritisiert wird. In den 80-er Jahren, als Hip Hop und Rap in den USA bereits immer beliebter wurden, gelang der neuen Musikrichtung dann der Sprung nach Deutschland. Im letzten Jahrzehnt hat das Genre in Deutschland ein enormes Wachstum genossen. Nach Pop und Rock macht 2016 Hip Hop den drittgrößten Umsatzanteil in der deutschen Musikszene aus. Die Meinungen darüber, was Hip Hop in Deutschland heute eigentlich ist, gehen dabei aber umso mehr auseinander. Im Ursprung ging es ja schließlich darum, echt zu sein und die Straße aufzuarbeiten.