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Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum manche frei verkäuflichen Medikamente besonders sicher verpackt sind oder schwerer zugänglich erscheinen? Die Antwort liegt in einem tragischen Kriminalfall, der 1982 die USA erschütterte: den Tylenol-Morden. Dieser bis heute ungeklärte Fall kostete sieben Menschen das Leben und veränderte nachhaltig, wie Medikamente hergestellt, verpackt und verkauft werden.
 

Der Schock von Chicago

Ende September 1982 wurden in der Metropolregion Chicago mehrere plötzliche Todesfälle registriert. Innerhalb weniger Tage starben sieben Menschen, nachdem sie Extra-Strength-Tylenol-Kapseln eingenommen hatten. Diese waren mit dem hochgiftigen Kaliumcyanid versetzt worden – einem schnell wirkenden Gift, das innerhalb von Minuten zum Tod führen kann.

Das erste Opfer war die 12-jährige Mary Kellerman aus Elk Grove Village, die am 28. September Tylenol gegen Erkältungssymptome einnahm. Einen Tag später starb Adam Janus aus Arlington Heights. In einer tragischen Wendung kamen auch sein Bruder Stanley und dessen Ehefrau Theresa ums Leben, nachdem sie aus demselben Tylenol-Fläschchen Kapseln eingenommen hatten. Weitere Opfer waren Mary Reiner, Mary McFarland und Paula Prince.

 

Eine Krankenschwester mit dem richtigen Gespür

Zunächst tappten die Ermittler im Dunkeln. Warum starben scheinbar gesunde Menschen plötzlich und ohne Vorwarnung? Den entscheidenden Hinweis lieferte Helen Jensen, eine Krankenschwester aus Arlington Heights. Sie stellte eine Verbindung zwischen den Opfern und den Tylenol-Produkten her. Die anschließende Laboranalyse ergab: Mehrere Kapseln waren nachträglich mit Cyanid manipuliert worden.

Die betroffenen Kapseln bestanden aus zwei Hälften Gelatine, die sich leicht öffnen und wieder zusammensetzen ließen – eine Eigenschaft, die damals kaum als Sicherheitsrisiko erkannt wurde. Tylenol war zu dieser Zeit das beliebteste rezeptfreie Schmerzmittel der USA. Doch mit einem Mal wurde es zur potenziellen Todesfalle.

 

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Die Ermittlungen: Ein Verdächtiger ohne Beweise

Trotz intensiver Ermittlungen und FBI-Einsatz konnte der Täter nie gefasst werden. Ein Verdächtiger, James William Lewis, trat ins Licht der Öffentlichkeit, nachdem er einen Erpresserbrief an Johnson & Johnson geschickt hatte. Darin behauptete er, für die Morde verantwortlich zu sein, und forderte eine Million Dollar, um weitere Todesfälle zu verhindern.

Lewis wurde zwar wegen Erpressung zu zehn Jahren Haft verurteilt, jedoch nie direkt mit den Morden in Verbindung gebracht. Bis heute gilt der Fall offiziell als ungelöst.

 

Johnson & Johnson: Krisenmanagement

Der Pharmakonzern Johnson & Johnson, Hersteller von Tylenol, reagierte mit beispielloser Konsequenz. Er rief landesweit über 31 Millionen Packungen zurück, was rund 100 Millionen US-Dollar kostete. Zudem wurde die Produktion gestoppt, das Verpackungsdesign überarbeitet und manipulierungssichere Siegel eingeführt.

Dieses Krisenmanagement rettete nicht nur den Ruf des Unternehmens, sondern setzte auch neue Standards in der Produktsicherheit. Die Öffentlichkeit lobte die Transparenz und Schnelligkeit, mit der Johnson & Johnson handelte.

 

Gesetzliche Folgen: Das Tylenol-Gesetz

Die Auswirkungen des Falls reichten weit über den Pharmasektor hinaus. 1983 verabschiedete der US-Kongress das sogenannte "Tylenol-Gesetz" (Federal Anti-Tampering Act), das Produktmanipulation unter schwere Strafe stellte. Die Food and Drug Administration (FDA) verschärfte zudem die Auflagen für Verpackungen von Medikamenten. Manipulationssichere Verschlüsse, Versiegelungen und Sichtverpackungen wurden zur Pflicht und sind heute Standard.

 

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