Zurück
Fritz Haarmann, „Der Vampir von Hannover“, wird am 15. April 1925 hingerichtet. Er soll 24 Jungen und junge Männer im Alter zwischen zehn und 22 Jahren in Hannover getötet haben. Der Fall erregt nicht nur wegen der hohen Opferzahl Aufmerksamkeit. Bereits seit mehreren Jahren arbeitete Haarmann nämlich auch als Polizeispitzel.

 

Kinder entdecken im Frühjahr 1924 beim Spielen am Fluss Leine in Hannover menschliche Gebeine. Untersuchungen ergeben, dass es sich um jene von jungen Männern handelt. Die Polizei befürchtet schnell, dass ein Serienmörder am Werk sein könnte.

 

Hannover, 1924

Nach dem Ersten Weltkrieg wird auch Hannover von großer Armut geplagt. Die Stadt ist voller Obdach- und Arbeitsloser, Unterernährung ist allgegenwärtig. Die Gegend um den Hauptbahnhof wird zu einem Sammelplatz für all jene, die die schweren Zeiten am härtesten treffen. Prostitution und Kleinkriminalität stehen auf der Tagesordnung. Viele Menschen scheinen plötzlich zu verschwinden, Angehörige geben deshalb erst zeitlich versetzt Vermisstenanzeigen auf.

Genau von diesem Milieu weiß Fritz Haarmann zu profitieren. Der Mann, der schon mehrfach vorbestraft ist, mit Geschäftsideen gescheitert war und von seinem Vater als Taugenichts abgestempelt wurde, lebt gemeinsam mit seinem 20 Jahre jüngeren Partner Hans Grans in einer Mansardenwohnung in der Roten Reihe 2. Die Wohnung dient vielen als Umschlagplatz für Hehlerware. In der Nachbarschaft wird das als eher normal angesehen – und auch, dass immer wieder junge Männer in Haarmanns Fenster gesehen werden und scheinbar nie wieder das Wohnhaus verlassen. Für viele ist Haarmann sogar ein Wohltäter für Obdachlose.

 

Ermittlungen

Nach den Schädel- und Knochenfunden in der Leine ist für die Ermittler schnell klar, dass die Morde aus einem sexuellen Motiv heraus begangen wurden. Die Beamten nehmen etwa 80 Männer ins Visier, auf die das Täterprofil passt – darunter Fritz Haarmann. Einem Polizisten sticht der Name Haarmann ins Auge – er war bereits 1918 mit einem Mord in Verbindung gebracht worden, doch eine Wohnungsdurchsuchung führte ins Nichts und zu seiner Freilassung.

Haarmanns Verhaftung erfolgt eher zufällig. Mit einem Jugendlichen war er am Hauptbahnhof in Streit geraten, weshalb er in Gewahrsam genommen wurde. Die Erkenntnisse über seine Vergangenheit führen zu einer Verlängerung seiner Untersuchungshaft und zu einer Wohnungsdurchsuchung. Als sich plötzlich auch das Diebstahlkommissariat einschaltet, kommt heraus, dass Haarmann für die Abteilung bereits seit Jahren als Spitzel tätig war.

In Haarmanns Wohnung werden Blutflecken und Männerkleidung, die ebenfalls Blutspuren aufweist, sichergestellt. Im Zuge der Ermittlungen wird auch die Leine abgesenkt. Insgesamt 500 menschliche Gebeine kommen zum Vorschein, die von mindestens 24 verschiedenen Männern stammen.

Bei Amazon Prime Video und Apple TV

Jetzt zwei Wochen kostenlos testen

 

Geständnis und Verurteilung

Nach wochenlangen Verhören gesteht Haarmann mehrere Männer getötet zu haben. Da er sich an die meisten Namen nicht erinnern kann, stellt die Polizei sichergestellte Kleidungsstücke der Opfer öffentlich aus.

Vorgegangen wäre Haarmann bei den Morden immer ähnlich: Er habe obdachlose Jugendliche und junge Männer mit dem Versprechen auf eine warme Mahlzeit und ein Bett in seine Wohnung gelockt. Im Gegenzug sollten sie mit ihm Geschlechtsverkehr ausüben. Im Zuge seiner sexuellen Erregung habe er sich in deren Adamsapfel festgebissen und sie dabei erwürgt. Danach habe er ihre Innereien entfernt, den Kopf abgetrennt, ihnen die Gesichtshaut abgezogen und das Fleisch feinsäuberlich von den Knochen abgetrennt. Den Großteil der Leichen habe er in der Leine entsorgt. Was mit dem Fleisch passiert ist, kann bis heute nicht mit Sicherheit gesagt werden. Fest steht allerdings, dass Haarmann einen Fleischwolf besaß und Fleischerzeugnisse weiterverkaufte. Außerdem schreckte er auch nicht davor zurück, all das andere Hab und Gut seiner Opfer zu Geld zu machen.

Haarmann wird am 19. Dezember 1924 zum Tode verurteilt, nachdem ihm ein psychiatrisches Gutachten als zurechnungsfähig und demnach schuldfähig erklärt. Die internationale Presse berichtete interessiert von dem Fall, da die Polizei als Mittäter angesehen wird. Jahrelang solle sie Vermisstenanzeigen verschwinden gelassen haben, damit „ihr Spitzel“ nicht mit den Verbrechen in Verbindung gebracht werden konnte.

Am 15. April 1925 wird Haarmann mit einem Fallbeil enthauptet.

 

Prozess um Hans Grans

Schon zu Beginn seines Geständnisses gibt Haarmann Hans Grans als Mittäter an. Er habe ihn auf Männer aufmerksam gemacht, die schöne Kleidungsstücke trugen, um sie nach der Tat gewinnbringend weiterverkaufen zu können. Grans wird daraufhin ebenfalls zum Tode verurteilt. Doch ein entlastender Brief, den Haarmann Grans‘ Vater zukommen lässt und der in der Presse abgedruckt wird, führt zu einer Neuverhandlung, im Zuge dessen Grans zu einer mehrjährigen Haftstrafe im Zuchthaus verurteilt wird.

 

Verhörmethoden

Erst in den 1990ern bringt die Veröffentlichung der Memoiren einer der verantwortlichen Kommissare zu Tage, dass im Fall Haarmann unzulässige Verhörmethoden angewendet wurden. So wäre Haarmann in einer Zelle angekettet worden, in der in jeder Ecke ein menschlicher Schädel stand. Die Schädel wären mit rotem Papier präpariert worden und dahinter mit einer Kerze beschienen. In einem Sack wurden menschliche Gebeine in dem Raum platziert. Die Ermittler redeten auf Haarmann ein, die Seelen der Verstorbenen würden ihn verfolgen, würde er nicht gestehen. Außerdem war Haarmann während der Verhöre auch geschlagen worden.

Wären diese unlauteren Methoden schon damals an die Öffentlichkeit geraten, wären Haarmann und Grans ungeschoren davongekommen.

 

Foto (c) http://www.nla.niedersachsen.de/master/C3413171_N2545588_I503_L20_D0.html / CC BY-SA 3.0

Serienmörder

Zu allen Artikeln