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1986 wurde der damals 24-jährige Jeremy Bamber wegen fünffachen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er soll seine Adoptiveltern, seine Schwester und deren beiden sechsjährigen Söhne in dem Farmhaus seiner Eltern in Essex, Großbritannien, ermordet haben. Noch heute ist allerdings unklar, ob er die Morde tatsächlich begangen hat.

Die Morde auf der „White House Farm“ klingen wie die Geschichte eines Kriminalromans. Schauplatz: ein idyllisches Bauernhaus am Land. Die Beteiligten: zwei tiefreligiöse Eltern, eine psychisch instabile Tochter, ein intriganter Sohn und eine im Stich gelassene Freundin.

 

Vorgeschichte

Bamber war der uneheliche Sohn einer Pfarrerstochter und eines verheirateten Feldwebels. Im Alter von sechs Wochen wurde er von dem wohlhabenden Neville Bamber, einem ehemaligen RAF-Piloten, und seiner Frau June adoptiert, die in der Nähe des Dorfes Tolleshunt D'Arcy in Essex eine Landwirtschaft betrieben. Bereits zuvor hatten die Bambers ein Kind, Sheila „Bambi“ Caffell, adoptiert. Den Kindern fehlte es an nichts, doch Disziplin war den frommen Eltern wichtig.

Bamber interessierte sich nicht für das Geschäft seines Vaters. Er liebte es extravagant und nutzte seine wohlhabende Herkunft, um Frauen mit einem Pseudo-Playboy-Image zu beeindrucken. Währenddessen zog seine Schwester Sheila nach London, um dort als Model Karriere zu machen. Sie heiratete und bekam Zwillinge. Als die Ehe mit dem Kindsvater scheiterte, wurde sie depressiv. Es entwickelte sich eine Schizophrenie. In einem psychiatrischen Gutachten wird erwähnt, dass sie manchmal glaubte, ihre Kinder seien vom Teufel selbst. Wegen ihrer Probleme zog Sheila mit den Zwillingen zurück zu ihren Eltern.

Zu dieser Zeit lebte Bamber mit seiner Freundin Julie Mugford zusammen. Sie wohnten mietfrei in einem Häuschen, das seinen Eltern in Goldhanger, ein paar Kilometer vom Haupthaus entfernt, gehörte.

Neville, Bambers Adoptivvater, bot seinem Sohn einen Job auf der Farm an und zahlte ihm 170 Pfund pro Woche. Es war sicherlich nicht die angesehene Position, die sich der junge Mann erhoffte, doch sein Vater meinte, sein Sohn hätte keinerlei Geschäftssinn. Bamber hasste die Farm, doch scheinbar unfähig seinen eigenen Weg einzuschlagen, beugte er sich dem Willen seines Vaters. Dabei wollte er eigentlich das Leben eines Playboys führen und war fest davon entschlossen, es um jeden Preis zu bekommen…

 

Die Verbrechen

Am 7. August 1985 um 3.26 Uhr rief Bamber bei der Polizei an. Er berichtete, dass ihn sein Vater gerade verzweifelt angerufen hatte, um ihm zu erzählen, dass seine Schwester Sheila durchgedreht sei und mit einem halbautomatischen Gewehr herumlaufen würde.

Als die Polizei das Farmhaus erreichte, fanden sie dort mehrere Leichen vor. Neville war erschlagen und erschossen worden, Junes Leichnam befand sich im Schlafzimmer, Sheilas Zwillinge waren im Schlaf erschossen worden, Sheila selbst war in den Hals geschossen worden. Sie hielt ein Gewehr und eine Bibel in der Hand.

 

Ermittlungen

Die Ermittler gingen davon aus, dass es sich um vier Morde und einen Selbstmord handelte. Sie waren sich der psychischen Probleme von Shelia bewusst. Bambers Geschichte der verrücktgewordenen Schwester schien plausibel. Die Polizei war von Bambers Erzählungen sogar so überzeugt, dass sie bereit war, auf Bambers Bitte hin Teppiche und Bettzeug im Haus zu verbrennen.

Bald schon berichtete die Presse von den schrecklichen Geschehnissen. 'Bambi' wollte immer Ruhm als Model finden und ironischerweise hatte sie sich diesen nun kurzzeitig auf den Titelseiten der Boulevardpresse als angebliche Massenmörderin errungen.

 

Vom Opfer zum Mörder

Das Verhalten des jungen Bambers weckte allerdings bald Verdacht. Bei der Beerdigung neun Tage nach dem Massaker verriet Bamber seine Eitelkeit. Am Grab spielte er noch den trauernden Sohn, doch gleich danach ging er mit Freunden feiern. Er war sich seiner Sache so sicher, dass er keinen Gedanken daran verschwendete, wie das auf die Polizei wirken würde.

Als Bamber schließlich angeblich seiner Freundin Julie Mugford mitteilte, dass er einen Auftragskiller für 2.000 Pfund angeheuert hatte, meldete sie das der Polizei. Trotz dieses Berichts blieben die Beweise gegen Bamber Indizien. Obwohl Bambers Fingerabdrücke neben denen von Sheila auf der Tatwaffe gefunden worden waren, gab es keine weiteren forensischen Beweise, die ihn mit den Morden in Verbindung brachten – hauptsächlich aufgrund der Tatsache, dass die Polizei die Säuberung des Tatorts zugelassen hatte.

Inzwischen genoss Bamber ein luxuriöses Leben, verprasste das Geld seiner Eltern und fuhr sogar in den Urlaub nach Amsterdam. Obwohl sein Verhalten nun genau beobachtet wurde, wirkte Bamber davon gänzlich unberührt. Die Modelfotos seiner Schwester waren das Einzige, was er zum Andenken mitnehmen wollte – damit er sie weiterverkaufen konnte.

 

 

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Das Problem mit der Waffe

Trotz fehlender Beweise gegen Bamber enthüllten die Ermittlungen eine Zwickmühle in Bezug auf die Tatwaffe. Ohne Schalldämpfer hätten die 25 abgefeuerten Schüsse zu viel Lärm gemacht und die weiteren Opfer vorgewarnt. Wenn jedoch ein Schalldämpfer an der Waffe angebracht gewesen wäre, wäre das Gewehr zu lang gewesen, um sich damit selbst erschießen zu können. Doch der Schalldämpfer war verschollen.

Diese Erkenntnis schien die Theorie auszuschließen, dass Sheila sich das Leben genommen hatte und daher auch die Möglichkeit, dass sie für die anderen Morde verantwortlich war. Wer auch immer das Verbrechen begangen hat, hatte den Schalldämpfer entfernt, bevor er nach den Morden das Haus verließ.

Es war David Boutflour, Bambers Cousin, der den Schalldämpfer auf der Farm in einem Schrank fand, noch mit Spuren von Sheilas Blut darauf – neben einem einzelnen grauen Haar.

Bevor die Forensik das Haar untersuchen konnte, war es jedoch verloren gegangen. Sicher war nun, dass Sheila keinen Selbstmord begangen hatte, sondern ermordet worden war. Diese Tatsache bedeutete auch, dass Bambers Anruf bei der Polizei, seine Schwester würde Amok laufen, eine Lüge war.

Am 29. September 1985 wurde Bamber festgenommen und des Mordes angeklagt.

 

Der Prozess

Der Prozess begann am 14. Oktober 1986 vor dem Gericht Chelmsford. Bambers Freundin Julie Mugford war die Hauptzeugin.

Sie behauptete, Bamber habe seinem Vater Morddrohungen ausgesprochen. Sie sagte auch aus, dass Bamber zu ihr meinte, dass sein "alter" Vater, seine "wahnsinnige" Mutter und seine Schwester "kein Recht zu leben" hätten. Damals sprach er von Brandstiftung und später von dem Wunsch, einen Auftragskiller zu beauftragen.

Für die Morde gab es zwei Erklärungen. Die erste war jene, die von der Anklage vorgebracht wurde: Bamber war nachts in das Haus seiner Eltern in Essex eingedrungen und hatte die fünf Mitglieder seiner Familie erschossen. Die von der Verteidigung vorgebrachte Erklärung war, dass Sheila mit all ihren Vorerkrankungen die vier Familienmitglieder mit dem Gewehr erschossen und dann Selbstmord begangen hatte.

Die Jury sprach Bamber für schuldig. Er wurde zu fünf lebenslangen Haftstrafen verurteilt, mit der Empfehlung, mindestens 25 Jahre ohne Bewährung im Gefängnis zu bleiben.

 

Folgen

Bamber musste seinen „Playboy“-Lebensstil finanzieren. Wenn sein Plan aufgegangen wäre, hätte er den Hof seiner Eltern und weitere Besitztümer erhalten. Der gesamte Nachlass wurde auf 436.000 Pfund geschätzt.

Bamber beteuert allerdings noch heute seine Unschuld und reichte zwei Berufungen gegen seine Verurteilungen ein – beide wurden abgelehnt. Er stimmte sogar einem Lügendetektortest zu, den er bestand. Trotzdem bleibt er inhaftiert.

Im Juli 2001 wurde der Fall nochmal aufgerollt, doch das Urteil gegen Bamber blieb aufrecht. Im Jahr 2002 verärgerte Bamber seine Verwandten, als er 1 Million Pfund als Belohnung für alle Informationen anbot, die dazu beitragen würden, seine Verurteilung aufzuheben. Zeitgleich klagte er gegen das Testament seiner Großmutter, die ihn aufgrund seiner Verbrechen als Erbe ausgeschlossen hatte.

Jeremy Bamber wird voraussichtlich bis zu seinem Tod im Gefängnis bleiben.

 

Serienmörder

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